Redebeitrag von Anna Katharina Lill, Bündnis 90/Die Grünen Leipzig

Wir haben es vorhin schon gehört: Diese Demo wird durch das Bündnis „8. März ist immer!“ ausgerichtet. Aber was bedeutet dieser Name? Was bedeutet es, wenn jeder Tag ein feministischer Kampftag ist?

Für mich steht dabei der Gedanke im Zentrum, dass das Private und das Politische in unauflöslicher Wechselwirkung zueinanderstehen. Nicht nur ist das Private politisch, sondern das Politische auch privat, weil es unsere Lebensbedingungen, unseren Alltag prägt. Wir alle haben Angst vor dem, was uns unter einem Kanzler Merz erwartet, was der gesellschaftliche Rechtsruck für uns ganz persönlich bedeutet. In der vergangenen Legislaturperiode ist in harten Verhandlungen viel erreicht worden, das nicht perfekt war, aber deutliche Verbesserungen bedeutete: Darunter das Selbstbestimmungsgesetz, die Abschaffung des §219a, das Verbot der Gehsteigbelästigung, der Aktionsplan Queer Leben, Verbesserungen für queere Menschen im Bereich der Hasskriminalität, das Gewalthilfegesetz oder die Einführung eines Mutterschutzes bei Fehlgeburten. Diese Fortschritte müssen wir jetzt entschlossen verteidigen. Viele weitere Vorhaben konnten nicht mehr umgesetzt werden oder sind an Widerständen gescheitert – allen voran die Abschaffung des §218, aber zum Beispiel auch die Reform des Abstammungsrechts. Weiterhin muss in Zwei-Mütter-Familien die nicht-biologische Mutter das gemeinsame Kind adoptieren; die rechtlichen Unsicherheiten für nicht-binäre Elternteile sind noch ungleich gravierender. Dass es angesichts des aktuellen politischen Klimas hier in nächster Zeit Fortschritte geben wird, ist unwahrscheinlich.

Deshalb dürfen wir aber nicht aufhören, dafür zu kämpfen. Gerade jetzt brauchen wir aufrechte Menschen, die weiter für ihre Überzeugungen einstehen und sich nicht einschüchtern lassen. Das bedeutet alltägliche Arbeit in unseren Parlamenten, Organisationen, zwischenmenschlichen Beziehungen. Jetzt ist mehr denn je die Zeit für solidarische Bündnisse. Als Feminist*innen dürfen wir uns durch den Druck von außen nicht spalten lassen, sondern müssen näher zusammenrücken.

Das bedeutet auch, den intersektionalen Ansatz ernst zu nehmen. Andere Menschen haben andere Perspektiven und Bedürfnisse – hören wir zu, halten wir Konflikte aus, respektieren und stärken wir uns gegenseitig. Als FLINTA*-Personen sind wir ständig mit dem Problem der Sichtbarkeit konfrontiert – entweder wir sind zu sichtbar oder ganz unsichtbar. Dies gilt umso mehr dort, wo sich verschiedene Diskriminierungsformen überschneiden. Dass etwa die seit Jahren kritisierten Missstände im Abstammungsrecht in der Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit erfahren, ist auch Ausdruck des gesellschaftlichen Unsichtbar-Machens queerer FLINTA*-Personen. Deshalb ist der 8. März immer, wenn wir jeden Tag versuchen, unser Gegenüber wirklich zu sehen – nicht als stereotypes Abziehbild, sondern als eigene Persönlichkeit. Und diese Person zu stärken in dem Vertrauen, dass sie auch uns stärken wird, ist eine feministische Praxis, die uns jederzeit zugänglich ist und die Wurzel gesellschaftlichen und politischen Engagements sein kann.

Jetzt ist die Zeit, für die feministische Sache zusammenzustehen und auch in schwierigen Zeiten füreinander da zu sein – in unseren Freundschaften, Familien, Nachbarschaften, auf der Arbeit, in Vereinen und Organisationen. 8. März ist immer!

English:

We heard it earlier: This demo is organized by the alliance “March 8 is every day!”. But what does this name mean? What does it mean when every day is an International Feminist Fight Day?

For me, the central idea is that the private and the political are inextricably intertwined. Not only is the private political, but the political is also private because it shapes our everyday lives. We all fear what awaits us under a Chancellor Merz, what the societal shift to the right means for us personally. In the last legislative period, a lot was achieved in tough negotiations. It was not perfect, but meant significant improvements: the “Selbstbestimmungsgesetz”, the abolition of §219a, the ban on “Gehsteigbelästigung”, the “Aktionsplan Queer Leben”, improvements for queer people in the area of hate crime, the “Gewalthilfegesetz” or the introduction of a maternity leave in the event of miscarriages. Now, we must defend this progress determinedly. Many other plans could not be implemented in time or have failed due to resistance – including the abolition of §218 or the reform of the “Abstammungsrecht”. In two-mother families, the non-biological mother still has to adopt the joint child; the legal uncertainties for non-binary parents are even more severe. Given the current political climate, it is unlikely that there will be any progress here in the near future.

However, we must not stop fighting. Right now, we need upright people who continue to stand up for their convictions and refuse to be intimidated. This means day-to-day work in our parliaments, organizations, and interpersonal relationships. Now more than ever is the time for solidarity-based alliances. As feminists, we must not allow ourselves to be divided by external pressure but must move closer together.

This also means taking the intersectional approach seriously. Different people have different perspectives and needs – we must listen to them, endure conflict, respect and empower each other. As WLINTA* people, we are constantly confronted with the problem of visibility – either we are too visible or completely invisible. This is all the more true where different forms of discrimination overlap. For example, the fact that the deficits in the “Abstammungsrecht”, which have been criticized for years, hardly receive any public attention is also an expression of the social invisibility of queer WLINTA* people. Therefore, March 8 is every day, when we really try to recognize our counterpart – not as a stereotypical decal, but as an individual personality. And empowering this person, trusting that they too will empower us in return, is a feminist practice which is accessible to us at all times, and which can be the root of social and political advocacy.

Now is the time to stand together for the feminist cause and to be there for one another even in difficult times – in our friendships, families, neighborhoods, at work, in clubs and organizations. March 8 is every day!